Mit Papageien leben

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Unsere Amazonen

von Lilo Pieth

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Amazonen: friedlich beieinander

Seit ein paar Jahren bewohnen einige Amazonenpapageien ein eigenes Zimmer mit anschließender Außenvoliere für den Sommer in unserem alten Haus. Wir erleben viel mit unseren Vögeln, die oft diskutierten Attacken der Amazonen auf ihren Pfleger und/oder die ganze Familie während der Brutzeit, oder auch außerhalb davon, haben wir zum Glück nie kennen gelernt. Unsere Probleme waren ganz anders. Oder vielleicht doch nicht?

Angefangen hat alles mit dem Einzug des alten fluguntauglichen Monti – er wurde in einem Tierheim abgegeben, nachdem sein Herrchen ins Pflegeheim kam. Monti ist eine Gelbstirnamazone, ein Wildfang, mittlerweile 39 Jahre alt und wurde immer alleine gehalten. So war er der erste gefiederte Bewohner im Haus seit meiner Jugendzeit. Nicht lange danach suchte eine entzückende Blaustirnamazonendame namens Sara dringend wegen Umbau des Altenpflegeheimes ein neues zu Hause. Sara hat dort als Jungvogel vor nun 32 Jahren eine Voliere zwischen Cafeteria und Haupteingang bezogen und seither alleine bewohnt, sie war das Geschenk eines damals sehr bekannten Schweizer Papageienzüchters an das Heim gewesen.

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Sara & Monti bei ihrer Ankunft

So zog Sara bei Monti ein, der sich dermaßen über den Neuzugang freute, dass wir tatsächlich befürchteten, er könnte einen Herzanfall erleiden… Den hat er zwar nicht erlitten, jedoch musste er wirklich sehr viel einstecken, bis er endlich seine Sara erobert hatte. Diese nämlich hatte von Anfang an nur Augen für meinen Mann, wo er sich aufhielt, klebten ihre Augen. Sie hatte mit mir keine Probleme, ich konnte sie berühren und sie nahm sofort Futter aus meiner Hand, auch wenn mein Mann da war. Monti war freundlich wie immer zu uns beiden, obwohl er jeden Morgen um seine Sara balzte und seine seltsamen Laute durchs ganze Haus zu hören waren.

Allmählich fing Sara an, Monti regelrecht abzuschießen, sobald sie meinen Mann sah – später dann auch, wenn sie ihn nur schon hörte von weitem oder auch nur ein männlicher Besucher sich im Haus aufhielt. Sie heftete ihre Augen auf Monti, duckte sich und flog ihn mit nach vorne gestreckten Füssen und Krallen an! Monti knallte jeweils mit seinem ganzen Gewicht wie ein Stein auf den Boden, und wir befürchteten, er könnte sich ernsthaft verletzen. Es wurde in den folgenden Wochen nicht viel besser, der arme Monti wurde traktiert und kehrte trotzdem immer schnurstracks zu seiner Sara zurück.

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Am Buffet: Sara & Monti

So konnte es einfach nicht weitergehen! Trennen wollten wir die beiden auf gar keinen Fall, sie saßen nebeneinander, fraßen zugleich aus derselben Schüssel und verbrachten die Tage gemeinsam, ohne ein Anzeichen von Aggressionen. Das Problem lag irgendwo um meinen Mann; war er nicht da, gab es auch keine Angriffe von Sara auf Monti.

Da dieser jedoch gar keine Lust zeigte, auszuziehen, musste eine andere Lösung gefunden werden. Ich stieß irgendwann einmal beim Stöbern in Netz auf das damalige Trainingsforum von Marcus von Kreft, habe mich dort angemeldet und kurz darauf hatte ich – hatten wir – Hausaufgaben!

In diesem Forum wurde und wird nach den Kriterien der bewährten Angewandten Verhaltensanalyse – kurz ABA (Applied Behavior Analysis) genannt – gearbeitet. Es war kein Spaziergang, zugegeben; mussten wir doch feststellen, dass wir „mitschuldig“ waren an den Angriffen auf unseren Monti! Es gab keine Lösung von heute auf morgen, so sind die Probleme ja auch nicht entstanden. Als wir aber den ersten Schock überwunden und uns ein klares Ziel gesetzt hatten, war es ganz leicht, vorwärtszukommen und das zu erreichen, was wir uns vorgenommen hatten. Schon die Anfänge des gezielten Trainings haben die Situation enorm verbessert; heute sind Sara und Monti ein festes Paar; ein Jahr nach ihrer Zusammenführung saßen beide nebeneinander und haben sich in Anwesenheit meines Mannes gekrault, es hat nie wieder Angriffe von Sara auf Monti gegeben.

Ein Jahr später kam der nächste Notfall zu uns, ein Gelbstirnamazonenmann, er hatte eine schwierige Zeit erlebt und brauchte sofort ein neues Daheim. Wir waren sehr gespannt, wie sich die Zusammenführung gestalten würde mit Monti und Sara. Nun, Monti hat sich wiederum sehr gefreut – und Sara hat den Neuen als erstes abgeschossen! Nein, es fing nicht alles wieder von vorne an: Wir waren ja jetzt vorbereitet für solche Fälle und so konnten wir diesen „Rückfall“ von Sara bereits in den Ansätzen auflösen, wir haben nicht mehr „mitgespielt“. Später sind dann noch drei weitere Papageien bei uns eingezogen und dieses Verhalten von Sara ist bis zum heutigen Tag nicht mehr aufgetreten.

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Monti & Barney:
Geh weg - Schnabelgefecht

Natürlich spüren unsere Amazonen – es sind nun mittlerweile drei Paare – auch den Frühling, es wird auch einmal gerempelt und gelärmt und auch einmal ein handfestes Schnabelgefecht ausgetragen untereinander. In der Balzzeit wird es noch offensichtlicher, wie wichtig ausreichend Platz und Rückzugsmöglichkeiten sind, wenn mehrere Tiere gehalten werden. Wir begegnen solchen Zeiten mit noch mehr Beschäftigung, Material wie Äste zum Zerlegen, Futtersuche, regelmäßigem Duschen, Targettraining, ihren täglichen Flugstunden – sogar der alte Monti hat nochmals gelernt zu fliegen! – und so weiter und so fort. Weil unsere Amazonen das ganze Jahr über gemeinsam in der Gruppe leben, bieten wir keine Nistkästen oder –gelegenheiten an, um keine Streitereien zu provozieren.

Alle unsere Papageien haben eine mehr oder weniger schlimme Vergangenheit, es sind Wildfänge und Handaufzuchten dabei. Egal, was jedes dieser Tiere mitbringt oder erlebt hat, alle profitieren vom Training und machen begeistert mit, es ist eine wirkliche Bereicherung ihres Lebens!

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Blick ins Grüne…

Training mit Papageien ist kein Zaubermittel, es kann keine mangelhafte Haltung „wegtrainieren“ oder die falsche Zusammensetzung einer Gruppe kompensieren oder einen Partner ersetzen. Es taugt auch nicht dazu, jederzeit alles mit seinem Tier machen zu können, wie dies oft behauptet wird von Trainingsgegnern. Das Gegenteil ist der Fall: Durch das Training lernt der Halter seine Tiere so gut kennen, dass er den passenden Moment für was auch immer abwartet, sei es, um Futterschüsseln zu wechseln oder um seinem Vogel „Hänschen klein“ beizubringen; das Tier wiederum belohnt diesen rücksichtsvollen Halter mit seinem Vertrauen und das ist die beste Problemvorsorge, die man überhaupt haben kann.

Wer nun denkt, dass er die nächsten dreißig Jahre ein tägliches Trainingsprogramm absolvieren muss, um überhaupt mit seinen Tieren einigermaßen auszukommen, dem sei gesagt, dass jede Beziehung ein gewisses Maß an Unterhalt und Pflege braucht. Freundschaften wollen gepflegt werden, genau so ist es auch mit unseren Tieren! Wer dies beherzigt, braucht weder Besen noch Hut, um sich vor seinen eigenen Tieren zu schützen, und sie wiederum brauchen uns nicht erst blutig zu beißen, damit wir sie zu respektieren lernen.

Allen Haltern empfehle ich wärmstens die Teilnahme im aktuellen Trainings-Forum. Dort könnt ihr in einem kostenlosen Minikurs die Grundlagen für das gezielte Training mit euren Tieren auf der Basis der anerkannten Angewandten Verhaltensanalyse – kurz ABA genannt  – erlernen. Dieser Kurs vermittelt euch als Halter ein tieferes Verständnis für das Verhalten eurer Tiere und ihr schafft damit eine solide Grundlage für ein harmonisches Miteinander zwischen euch und euren Tieren. Außerdem lernt ihr, Problemverhalten zu erkennen, nötigenfalls zu ändern und in Zukunft dafür zu sorgen, dass unerwünschte Verhalten erst gar nicht mehr auftreten!